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Die beiden Seiten
einer
Medaille
Schwingenflug und
Hubflügel
Die
nebenstehende Grafik
Sie zeigt einen grundlegenden Zusammenhang
in der Physik des Fliegens. Dieser Zusammenhang betrifft den Schwingenflug
der Lebewesen und das technisch bedeutsame und gefährliche
Flugzeugflattern,
damit
auch den Vorgang der Entnahme von Bewegungsenergie aus einem Fluss beim
Hubflügelgenerator.
Die Grafik ist einem unlängst veröffentlichten Artikel
entnommen*).
An einer vertieften Darstellung interessierte Leser und Leserinnen
seien
dorthin verwiesen. Für die nachfolgenden Erklärungen ist
nicht
so wichtig, was genau auf den Achsen dargestellt ist, weil die für
die Erklärung interessanten Bereiche eingekreist sind.
In Kürze: Die horizontale Achse
ist die Phasenverschiebung zwischen Schlagen (Hubbewegung) und
Drehen
in Winkelgrad. Der Wert von 90 Grad bedeutet, dass der Flügel in
der
Mitte seines Hubes (Schlages) ist, wenn die Drehung (Anstellwinkel)
maximal
ist. Die
vertikale Achse ist das Verhältnis von Schlagamplitude
zu Drehamplitude (letztere multipliziert mit der halben
Flügeltiefe).
Mehr dazu steht in einem Artikel auf unseren Internetseiten, der sich
mit
dem Mechanismus
des Schwingenflugs beschäftigt. Die Grafik ist für
eine bestimmte Kennzahl berechnet, die reduzierte Frequenz
heißt.
Der Wert beträgt 0.15 und findet sich auch in dem Beispiel dieses
Artikels zum Schwingenflug (auf
Seite
15). In diesem Artikel finden sich auch die Formeln, die diese
Grafik
in sehr guter Näherung nachzurechnen gestatten.
*) W. Send, Der
Traum vom
Fliegen, Naturwissenschaftliche Rundschau, 2/2003, 65-73
Mehr zur
Physik
des Fliegens: W. Send, Physik des Fliegens, Physikalische
Blätter
57
(2001), 51-58
Die
Phänomene
wurden erstmals von Birnbaum
1924 beschrieben, von Küssner
1936 und Theodorsen 1935 analytisch gelöst und von Send
1992 erweitert.
Zum Nachdenken: Besonders interessant ist die Grenze, bei der die Effekte Schwingenflug und Flattern "umkippen". Bei der Phasenverschiebung 90 Grad stoßen die beiden Effekte unmittelbar aneinander. Ein Tipp: Wer diesen Umschlag von einem Effekt zum anderen verstanden hat, den kann keine komplizierte theoretische Rechnung mehr schrecken. Denn eine solche Rechnung belegt nur mit Formeln und Zahlen, was man sich physikalisch sehr anschaulich klar machen kann: Wenn die Querkraft der Strömung auf den Flügel so wirkt, dass der Flügel entgegen seiner Bewegung festgehalten werden muss (Hubflügel, Flattern), dann wird Leistung entnommen (negative Schlagleistung). Muss man gegen die Querkraft der Strömung Leistung aufbringen, den Flügel also in Richtung seiner Bewegung mit Kraft schieben, dann ist dies die Situation, die den Schwingenflug kennzeichnet und in der Leistung aufzubringen ist (positive Schlagleistung). Damit beim Hubflügel Leistung entnommen werden kann, muss der durch Hub entstehende Abtrieb bei der Aufwärtsbewegung (!) durch einen noch größeren positiven geometrischen Anstellwinkel übertroffen werden. Strömungsmechanisch "sieht" der Flügel nur die Differenz dieser beiden Winkel. Wichtig dabei ist die richtige Handhabung der Vorzeichen: Die am Flügel aufzubringende Kraft und seine Bewegung gegnüber dem ruhenden Raum sind für das Vorzeichen der Leistung entscheidend. Diese Kraft wird in der Strömungsmechanik stets indirekt über die Reaktionskraft des Fluids berechnet. Auch hier gilt Newtons Gesetz actio = reactio.
Was ist dargestellt?
Dargestellt sind die über eine Periode
der Bewegung gemittelten Leistungen P.x für die
Anströmung
(x=Translation), x=Schlagen und x=Drehen. Diese
sind
als so genannte dimensionslose Beiwerte dargestellt. Bezogen
sind
die Beiwerte auf das Quadrat der Amplitude alfa0 der
Drehbewegung (in Bogenmaß) und die Leistung P0
= 1/2 S rho U0 ** 3. Die jeweilige Leistung P ist
dann:
P.x = Beiwert.x * P0 * alfa0 **2 |
In der Definition von P0 ist S die Grundrissfläche eines Tragflügels, rho die Dichte des Fluids und U0 die Flug- bzw. Anströmgeschwindigkeit. Die einzelnen Teilbilder sind folgendermaßen zu lesen: Für den Hubflügel HFG3 als Beispiel ist S = 0.76 m². Die Strömungsgeschwindigkeit des Wassers (rho = 1000 kg/m³) sei 2 m/s, also P0 = 3040 W (Watt). Der Beiwert Beiwert.Translation des Teilbildes Translation gibt einen Wert von etwa 1 innerhalb des blauen Kreises an. Eine Amplitude von 40 Grad für den Drehwinkel ist durchaus realistisch und liegt im oberen Viertel des mechanisch einstellbaren Winkels. In Bogenmaß ist dies alfa0 = 40 * 2 pi / 360 = 0.7 (das Quadrat also 0.49). Grob gerechnet ist der Wert der Leistung ungefähr 1500 W, der in der Strömung als entnehmbare Leistung zur Verfügung steht.
Wie ermitteln wir
unsere
Nennleistung von 1kW?
Würde das Teilbild Schlagen
innerhalb des gleichen blauen Kreises etwas genauere Schichtlinien
zeigen,
würden wir dort den Wert Beiwert.Schlagen = 0.5 ablesen,
der
angibt, wieviel von der in der Strömung entnehmbaren Leistung
tatsächlich
als mechanische Schlagleistung abgeführt und in
elektrische
Energie umgewandelt werden kann. Das ist die Hälfte der
Translationsleistung oder 750 W.
Wir gehen weiterhin davon aus, dass der
mechanisch-elektrische Wirkungsgrad der Anlage insgesamt etwa 85 %
beträgt
(diese Größenordnung haben wir gemessen). Die partiell
lineare
Kinematik
bringt einen Zugewinn von 1.4, der aus den obigen Diagrammen
nicht abgelesen werden kann. Damit erzielen wir bei 40 Grad
Drehamplitude
den Wert P.elektrisch = 750 W * 0.85 * 1.4 = 900 W. Nun ist 40
Grad
Amplitude keineswegs der größte Wert, den wir einstellen
können,
so dass wir uns für den Wert 1 kW als Nennleistung entschieden
haben. Für diese mechanische Belastung ist der
Hubflügelgenerator
konstruktiv ausgelegt. Der elektrische Generator kann etwa 1.3 KW
Leistung
liefern.
Und der Vogelflug?
Der Vogelflug findet in dem Bereich statt,
wo ein Lebewesen mit seinen Muskeln Schlagleistung aufbringen muss. Es
braucht dazu sehr wenig Drehleistung. Dann wird eine negative
Translationsleistung
erzielt. Das ist nur ein anderes Wort für Schubleistung. In dem
Teilbild
Wirkungsgrad
ist dargestellt, wieviel Schubleistung erzielt werden kann von einem
Vogel
im Vergleich zur aufgebrachten Schlag- und Drehleistung. Man sieht,
dass
ein Vogel oder ein Insekt sehr effektiv fliegen kann. Je effektiver ein
Lebewesen fliegt, desto weniger Leistung muss es aufbringen. Das sieht
man, wenn man auf das Diagramm Schlagen schaut. Die
größten
Wirkungsgrade werden erzielt, wenn kaum noch Schubleistung aufgebracht
wird.
Ist der
Hubflügel
genau so effektiv wie der Vogelflug?
Der Hubflügel könnte in der Tat
genau so effektiv arbeiten wie ein Vogel. Dann würde die
Strömung
kaum gestört und fast die gesamte entnommene Energie würde in
entnehmbare Schlagleistung umgewandelt. Aber: Die absolute Leistung
wird
dann auch immer geringer. Das wollen wir aber nicht. Wenn man die
maximal
mögliche Leistung entnehmen möchte, dann bleibt ungefähr
die Hälfte davon als Wirbel
hinter dem Tragflügel zurück. An diesem elementaren
physikalischen
Zusammenhang kommen wir leider nicht vorbei!