|
GbR |
Physik des Fliegens mit dem Rundlauf RL3
Alles
Fliegen beruht auf Erzeugung von Luftwiderstand, alle Flugarbeit besteht
in Überwindung von Luftwiderstand.
Otto Lilienthal, 1889
Was sich heute
als Selbstverständlichkeit liest, war vor einhundert Jahren eine bahnbrechende
Erkenntnis, um die Lilienthal Jahre seines Lebens gerungen hat. Veröffentlicht
hat er seine Einsichten in seinem Buch "Der Vogelflug als Grundlage der
Fliegekunst" (Berlin 1889), dem das Zitat entnommen ist.
Luftwiderstand
ist eine Kraft, gemessen in Newton [N]. Die Bewegung des Körpers entgegen
dieser Kraft, die Geschwindigkeit als Weg pro Zeiteinheit [m/s], verlangt
zu ihrer Aufrechterhaltung eine beständige Leistung als Kraft mal
Geschwindigkeit, die in Watt gemessen wird [1 W = 1 Nm/s].
Lilienthal hat
am eigenen Leib erfahren dürfen, dass die Fähigkeit der fliegenden
Tiere, sich in der Luft halten zu können, offenbar wenig Arbeit verlangt.
Seine Untersuchungen gipfelten im Bau seiner Hängegleiter, in denen
er ohne Kraftaufwand durch die Luft dem Boden entgegenschwebte.
Zur Abbildung:
Zu sehen ist Tafel VIII in Lilienthals Buch. Dargestellt sind drei Merkmale
der Bewegung: Schlagen, Drehen und Schwenken. In Fig. 2 ist das Schlagen
der Flügel abgebildet, in Fig. 4 und 5 das Drehen der Flügel
bei Auf- und Abschlag (Lilienthal spricht von Niederschlag). Besonders
interessant ist, dass Lilienthal das Schwenken ebenfalls schon gesehen
hat. Unter Schwenken versteht man das Zurückziehen des Flügels
entgegen der Flugrichtung beim Aufschlag, und das Vorziehen in Flugrichtung
beim Abschlag. Dadurch wird der Weganteil beim Aufschlag deutlich kürzer
als beim Abschlag (Fig. 3). Gleiche Bewegungen zeigen auch Untersuchungen
an Insektenflügeln. Man kann sagen: Die drei Freiheitsgrade Schlagen,
Drehen und Schwenken sind zusammen mit der Vorwärtsbewegung (Translation)
die kinematischen Grundmuster des Tierflugs.
Aerodynamik ist
die Lehre von den mechanischen Wechselwirkungen zwischen einem in Luft
bewegten Körper und dem umgebenden Strömungsfeld. Prägendes
Merkmal dieses Teilgebiets der Strömungsmechanik ist die große
gleichförmige Hauptgeschwindigkeit des Körpers gegenüber
der ruhenden Luft. Dieser Bewegungsform können zusätzlich kleine
Schwingungen überlagert sein, die entweder aus den elastischen Eigenschaften
des umströmten Körpers hervorgehen oder aber von diesem selbst
durch einen geeigneten Bewegungsapparat erzwungen werden.
Ohne Antriebskraft
wird die Leistung für die Vorwärtsbewegung beim Fliegen über
den Verlust an Flughöhe aufgebracht. Durch Ausnutzen von Aufwinden
kann verlorene Höhe zurückgewonnen werden. Bei angetriebenen
Luftfahrzeugen mit starren Tragflächen wird die große gleichförmige
Geschwindigkeit durch die Schubkraft der Triebwerke aufrechterhalten. Bei
den großen Geschwindigkeiten regt der Luftstrom die stets elastischen
Flügel leicht zu Eigenschwingungen an. Die kleinen Schwingungen entstehen
hierbei als unerwünschte Nebenwirkung.
Dagegen werden
beim Tierflug die Schwingungen durch die physiologische Leistung der Bewegungsmuskeln
hervorgerufen. Bei einem geeigneten Bewegungsablauf gelingt es dem Tier,
mit Hilfe dieser Bewegung schon im Stand oder mit einem kurzen Anlauf eine
Rückstoßkraft zu erzielen. Diese beschleunigt das Tier auf die
gleichförmige Fluggeschwindigkeit. Neben dem Ziel, Vortrieb aufzubringen,
müssen sich die fliegenden Tiere ebenso wie Luftfahrzeuge auch noch
in der Luft halten können; beiden gelingt dies mit Hilfe des dynamischen
Auftriebs an ihren Flügeln, der sich bei hinreichend großer
Vorwärtsbewegung an den Tragflächen aufbaut.
Zur Abbildung: Lilienthal
benutzte den abgebildeten Rundlauf, um den Auftrieb angestellter ebener
und gewölbter Platten zu untersuchen. Die über Rollen angehängten
Gewichte treiben die Spindel an. Der horizontale Hebel mit einem kreisförmigen
Gewicht gleicht das Gewicht der drehenden Mechanik aus. Dadurch kann auf
der Waagschale in der Mitte durch Auflegen von Messgewichten bestimmt werden,
wie groß der erzielte Auftrieb ist.
Blickt man auf die verschiedenen Ansätze, die Physik des Fliegens zu unterrichten, so ist das Fehlen einer Experimentiereinrichtung zum Schwingenflug ein offenkundiger Mangel. Für diese Bewegung, die wir tagtäglich in der Natur um uns herum beobachten, gibt es bislang kein quantitatives Experiment für den Hörsaal. Die weltweit wenigen Modelle sind stets nur von ihren Erbauern betrieben worden und Einzelstücke geblieben. Eine Versuchseinrichtung, die die physikalischen Grundlagen des Fliegens demonstriert, sollte die voranstehenden grundlegenden Phänomene der Aerodynamik zeigen können:
Das Bild stellt
die gesamte Versuchseinrichtung dar. Die Zentraleinheit ruht auf einem
Stativ und trägt den Ausleger mit dem jeweiligen Modell. Da der Ausleger
aus zwei Teilen besteht, kann der Rundlauf in zwei Durchmessern 4.5 m und
6 m aufgebaut werden. Das Stativ muss besonderen Anforderungen genügen.
Stromversorgung und Messdatenerfassung erfolgen über 8 m lange Zuleitungen
zur Zentraleinheit. Die Modelle können von ganz unterschiedlicher
Art sein. Angefangen vom künstlichen Vogel über Tragflächen
können ebenso ganze Flugzeugmodelle vermessen werden.
Messung
des Auftriebs
Während bei
Lilienthal der Auftrieb als zusätzliche Kraft zum Gewicht der Versuchseinrichtung
gemessen wird, verändert beim RL3 der Auftrieb den Fliehkraftwinkel.
Die Auftriebskraft ergibt sich in wenigen Rechenschritten durch eine
einfache Beziehung, die aus dem Kräftegleichgewicht am Modell der
Masse m folgt:
Die Winkelgeschwindigkeit
wird über eine Lichtschranke ermittelt. Die Messung des Fliehkraftwinkels
erfolgt am Gelenkkopf Gk. Dort lässt sich der Fliehkraftwinkel
auch direkt ablesen. Über ein eingebautes Winkelpotentiometer kann
die Stellung des äußeren Arms mit der Masse auch elektrisch
angezeigt werden.
"Flattern" einer Tragfläche
Eine elastisch
aufgehängte Tragfläche zeigt das sogenannte Flugzeugflattern.
Flattern ist der inverse Effekt zum Schwingenflug. Die Tragfläche
muss gegen die Luft von einer äußeren Schubkraft bewegt werden
und kann dann durch Schlagen und Drehen dem Luftstrom Leistung entnehmen.
Umgekehrt entsteht beim Schwingenflug Schubkraft durch aufgebrachte Leistung
beim Schlagen mit gleichzeitiger Drehbewegung.
Unterhalb der
Flattergeschwindigkeit werden Störungen - etwa durch eine Windböe
- gedämpft und die Schwingungen klingen ab. Bei Überschreiten
der Grenze sind die Schwingungen angefacht und setzen von selbst ein.
Hinweis: Bilder zu diesem
Versuch finden sich in Experiment 5
des Jugendlabors DLR_School_Lab
des DLR am Standort Göttingen.
Zentraleinheit
Schlagmechanik
Die Schlagmechanik des künstlichen
Vogels ist aktiv nur eine reine Schlagbewegung. Die Drehung der Tragflächen
entsteht passiv durch die angreifenden Luftkräfte.
Die nebenstehende
Zeichnung zeigt den Rundlauf RL3 in der Aufsicht. Der Schleppmotor zieht
über den Schlepparm das Modell auf der Kreisbahn vorwärts. Der
Bahnradius Rß hängt von
den Versuchsbedingungen ab und kann bestimmt werden. Der Schlepparm greift
im Abstand Rf von der Achse am Ausleger
an. Aus der angezeigten Schleppkraft lässt sich über das Hebelgesetz
der Luftwiderstand des Modells ermitteln.
Schwingenflug
im Experiment
Ist als Modell keine Tragfläche, sondern der künstliche Vogel eingehängt, dann kann zusätzlich zum Schleppen die Schlagmechanik angestellt werden. Durch den Druck der Luft verwinden sich die Tragflächen zu den Flügelspitzen hin immer stärker. Im einzelnen Flügelschnitt stellt sich die gekoppelte Schlag- und Drehbewegung ein, die Lilienthal schon gesehen hat. Durch den Schwingenflug wird der Luftwiderstand, der zunächst gemessen wurde, vollständig überwunden. Die Schleppkraft wird nicht mehr benötigt; man kann den Schlepparm auch ganz aushängen.
Mechanismus des Vortriebs
Eine vereinfachte
Betrachtung im Bild links zeigt, wie man sich den Mechanismus des Vortriebs
vorstellen kann. Bei Aufschlag ist die Verdrehung der Tragfläche gerade
so groß, dass der Flügelquerschnitt noch von oben angeströmt
wird. Auf der Oberseite entsteht ein Staupunkt. Dadurch erfährt der
Flügelquerschnitt eine Kraft nach unten. Wird nun der Flügel
gleichzeitig positiv angestellt, dann richtet sich die abwärts zeigende
Querkraft nach vorne. Der Anteil in Bahnrichtung verursacht eine Schubkraft.
Beim Abschlag kehren sich Kräfte und Bewegungsrichtungen um. Bei dieser
Betrachtung muss man sich stationäre und instationäre (zeitlich
veränderliche) Kräfte als überlagert vorstellen. Deshalb
bleibt der stationäre Auftrieb FA
von dieser Betrachtung unberührt.
Hinweise: