Seminar "Wie fliegen die Tiere?"


Unter Anleitung von Dr. Wolfgang Send - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt Göttingen
im Rahmen der Kinder-Uni Göttingen 

Der Kurs hat vielfach und in Varianten stattgefunden. Die Dokumentation zeigt Bilder zum Kurs am
am Freitag, dem 8. Juli 2005, von 16 bis 19 Uhr

Eine kurze Dokumentation

Letzte Bearbeitung: 11.07.2005
Das Seminar behandelte die beiden wesentlichen Fragen  der Vorlesung:
  • Wie schaffen die Tiere es, dass sie nicht vom Himmel fallen?
  • Wie schaffen die Tiere es, dass sie in der Luft vorwärts kommen?
Organisatorischer Rahmen. Teilgenommen haben zwölf Kinder im Alter von 9 bis 12 Jahren. Die Durchführung der Anmeldung lag in den Händen der Organisatoren der Kinder-Uni Göttingen (die Referenten der Kinder-Uni waren gefragt worden, ob sie ein Seminar zu ihrer Vorlesung anbieten können). Stattgefunden hat das Seminar in den vorzüglich ausgestatteten Räumlichkeiten des DLR-Jugendlabors in Göttingen, genannt DLR_School_Lab. Personell unterstützt wurde das Seminar durch die studentischen Hilfskräfte des Labors. Hinsichtlich des Ablaufs gab es eine Planungsskizze, der auch in den wesentlichen Teilen wie vorgesehen gefolgt wurde. Die Eltern wurden auf einem Informationsblatt kurz zum Thema informiert und ihnen mitgeteilt, wie sie mehr dazu erfahren können.
Eingeplant war, den Eltern noch für ein lockeres Nachgespräch zur Verfügung zu stehen, um ihnen bei Bedarf eine etwas breitere Gesprächsbasis mit den Kindern zu liefern. Das Angebot wurde ausgiebig genutzt, vor allem auch von den Kindern selbst, um den "Arbeitsplatz" der vergangenen drei Stunden zu zeigen.
 
 
Ziel der Einführung des Kraftbegriffs. Für den Anleiter war das Seminar Motivation, ein Konzept für die Einführung des Kraftbegriffs zu entwickeln, das - vorzugsweise in der Sekundarstufe I - eine praktisch-handwerklichen Zugang zu dieser wichtigen physikalischen Größe ermöglicht. Die Anwendung auf das Fliegen ist dabei von besonderem Vorteil, weil das Fliegen in Natur und Technik thematisch wie handwerklich für die jungen Leute eine große Anziehungskraft hat. Das zentrale Gleichgewicht beim Fliegen zwischen dem Gewicht und dem dynamischen Auftrieb*) einerseits und dem Strömungswiderstand und der Schubkraft anderseits ist für Kinder leicht erfahrbar und nachvollziehbar.  Im Seminar selbst wurden Federn zur Kraftmessung von den Teilnehmern hergestellt, das Herstellen der Skala für eine quantitative Messung hätte den zeitlichen Rahmen gesprengt.

*) Der statische Auftrieb eines Heißluftballons oder eines Luftschiffs wird nicht als Fliegen bezeichnet! Ballone fahren durch die Luft, sie fliegen nicht. Wer einmal mit dem Ballonfahrer eines Heißluftballons darüber gesprochen hat, wird wissen, wie heftig auf diesen Begriffen beharrt wird.

Einführungsphase. Die Kinder wurden nach Wünschen zum Arbeiten in einer gemeinsamen Gruppe gefragt und hatten dann die erste Aufgabe, sich zu zeichnen beim Fliegen nach Art der Vögel. Dazu wurden sie an einen der vier Arbeitstische geführt, auf denen sowohl Werkzeug wie attraktive Bücher lagen. Die zwölf Teilnehmer waren in vier Gruppen aufgeteilt, die jeweils nach Namen von bedeutenden Leuten aus der Geschichte der Aeronautik benannt und farbig unterschieden waren (Lilienthal, Leonardo, Marey, Wright). Auf den Tischen lagen jeweils ein Buch zu der Person des Namensgebers der Gruppe sowie weitere Bücher ganz unterschiedlichen Anspruchsgrades. Die Bücher boten einerseits Vorlagen für die Zeichenaufgabe wie eine beträchtliche Attraktivität, sich vom Thema Fliegen "einfangen" zu lassen.

Frage: Wie schaffen die Tiere es, dass sie in der Luft vorwärts kommen?

Bewegen und Spielen. Auf allen Tischen war ein künstlicher Vogel "Tim Bird" ausgelegt, der ausgepackt und ausprobiert wurde. Die Schwingen des Vogels werden über einen Gummimotor angetrieben. Der Vogel hat bemerkenswerte Flugeigenschaften und startet bei günstiger Einstellung sogar vom Boden. Diese Fähigkeit zur Vorwärtsbewegung wurde ausgiebig ausprobiert. 

Erste gemeinsame Runde. Die gezeichneten Bilder über sich selbst als Flieger wurden auf ein elektronisches Episkop gelegt und besprochen. Nicht alle wollten ihre Bilder vor allen Teilnehmern zeigen, was respektiert wurde. Flügel und Flächen kamen bei allen Zeichnungen heraus. Auch Federflügel wurden gezeichnet. Nach dem vorangegangenen Spielen war die Frage "Wie schaffen die Tiere es, dass sie in der Luft vorwärts kommen?" leicht mit der schlagenden Bewegung der Tragflächen zu verbinden. Die Zeitlupenaufnahme (aus der Vorlesung) zeigt, dass das Schlagen auch mit einer Verwindung der Flügel verbunden ist. "Wellenförmig" wurde diese Bewegung genannt, die es vermag, Luft anzusaugen und nach hinten wegzudrücken. Die Bilder der Vorlesung zu diesem Punkt wurden noch einmal besprochen. 

Der Rundlauf ANIPROP RL3 mit dem großen künstlichen Vogel demonstrierte diese Fähigkeit zur Erzeugung von Schubkraft mit dem Schwingenflug am Ende auch noch einmal für die Eltern. 

Ein schöner Schulversuch ist der Versuch mit dem Vogel Tim, dem ein kleiner Elektromotor eingesetzt worden ist. Dieser Versuch gehört eigentlich in jeden Unterricht in der Sekundarstufe I, der sich mit dem Fliegen beschäftigt. Die Kerzenflamme vor dem Flügel wird beim Schlagen der Flügel angesaugt. Dadurch wird die Luft nach hinten weggestoßen und die Schubkraft erzeugt. Die Idee zu diesem Versuch stammt aber keineswegs vom Anleitenden Dr. Send, sondern geht auf É.-J. Marey zurück (siehe unten).

Die rechte Bildfolge zeigt Aufschlag, Umkehr und Abschlag des Flügels des künstlichen Vogels Tim Bird (nach dem Entwurf von Karl Herzog). Ausschnitt aus einem Film in Zeitlupe mit freundlicher Genehmigung von Frau Dipl.-Biol. Tatjana Hubel, TU Darmstadt (Copyright 2003).

Das letzte Bild ist ein Beleg, dass alte Bücher ein Schatz von größtem Wert sind. Es zeigt den Versuch mit der Kerze aus dem Buch La Machine Animale von Étienne-Jules Marey, Éditeur Félix Alcan, Paris 1891 - Bild groß.






Frage: Wie schaffen die Tiere es, dass sie nicht vom Himmel fallen?

Bau eines Gleiters aus Polystyrol (Depron). Die tragende Eigenschaft von Flächen (Tragflächen), die sich in schräger Anstellung gegenüber der Strömung durch die Luft bewegen, wird mit einem Gleiter anschaulich gemacht.  Der Bau erfolgte nach den ausliegenden Schablonen, die auf die 6 mm (Rumpf) und 3 mm (Flügel und Leitwerk) starken Platten übertragen wurden. Mit einem Schneidemesser wurden die Umrisse ausgeschnitten. Die Kanten konnten mit Schleifpapier noch geglättet werden. Eine "Flugzulassung", bei der mit jedem Teilnehmer die Qualität seiner Arbeit kurz besprochen wurde, ging dem anschließenden Wettbewerb von der Empore innerhalb des Arbeitsraums voraus. Tatsächlich flogen einige Flieger aus 5 Meter Höhe quer durch den ganzen Raum mit einer Länge von 25 Metern. Erster und zweiter Preis war ein Tim Bird, der dritte Preis eine Frisbyscheibe.
Die gleiche Eigenschaft, eine Auftriebskraft zu erfahren, haben auch die Flügel der Tiere. Das Besondere bei den fliegenden Lebewesen ist, dass sie mit den gleichen Tragflächen, die sie in der Luft halten und damit ihr Gewicht ausgleichen, auch den Widerstand der Luftströmung überwinden, als Schubkraft erzeugen können. Dies unterscheidet sie von den Flugzeugen, die dazu die zusätzlich angebrachten Triebwerke benötigen.
 

Depron. Markenname für Polystyrol - geschäumter Dämmstoff, der in Form von Platten verkauft wird. Verwendung zur Isolierung sowie zunehmend auch als Baumaterial im Modellbau. Oberfläche von Depron glatter und feiner als beim ähnlichen Baustoff Styropor. Verkleben von Depron mit Styrosekundenkleber oder Uhu Por. Ähnliche Materialien bzw. Markennamen sind Selitron, Polypron, Sapron, Selitac. Quelle: Heimwerkerlexikon

 

Der Flieger vor dem kleinen Windkanal*) KWK1 in frei beweglicher Aufhängung - groß. Dazu Kurzfilm (6 MByte).

Die Kollegen Dr. Carstens und Dr. Wegner als aufmerksame Gäste und nicht minder  interessierte Experimentatoren - groß.


Mit Sorgfalt arbeitet die junge "Forscherin" an ihrem Flieger - groß.

Auch aufgebaut: Versuch aus der Vorlesung zur Schubkraft beim Fliegen - groß.  Dazu Kurzfilm (6 MByte).

*) Ohne den Vorbau der so genannten Verjüngungsstrecke, durch die der Luftstrom auf einen kleineren Querschnitt kontrahiert wird. Der Vorteil dieses Aufbaus ist ein größerer Querschnitt des Luftstroms, der Nachteil eine deutlich schlechtere Qualität der Strömung. Der Querschnitt des KWK1 beträgt dann 0.24 m x 0.36 m.

Die nachfolgenden vier Bilder zeigen jeweils die Arbeitsplätze der vier Gruppen und die Präsentation der fertigen Flugmodelle.
 


Nachfolgend noch einige Eindrücke vom Seminar. Der Bau des Kraftmessers ist im Seminar nur bis zur handwerklichen Fähigkeit der Wicklung der Federn gediehen. Die entwickelte Technik wird an anderer Stelle dokumentiert (und ist derzeit noch nicht abgeschlossen). Einen fertigen Kraftmesser im Einsatz zeigt obiges Bild Flieger vor kleinem Windkanal.


Gruppe Leonardo - groß

Gruppe Lilienthal - groß

Gruppe Marey - groß

Gruppe Wright - groß

Johannes, Ben und Thomas - groß.

Malte, Moritz und Aron - groß.

Antonia, Fiona und Julius - groß.

Lena, Geeske und Leander - groß.

Fliegen leichter als Luft*) - groß.

Gemeinsamer Werktisch - groß.

Wickeln der Feder - groß.


Wickelkern und Feder - groß.

*) Der hübsche Heißluftballon wurde uns freundlicherweise von Herrn Otto vom Max-Planck-Gymnasium Göttingen zur Verfügung gestellt. Silvia Reusz (ihre Schwester Anja als Gast) und Aram Giahi sind beim DLR als Betreuer tätig und haben an diesem Tag mitgewirkt.


Ausgelegte Bücher nach Gruppen
Der Zweck der vielen ausgelegten Bücher war es, eine Sogwirkung auf die jungen Leute auszuüben. Es sollte auch durch Bücher die Attraktivität des Themas Fliegen gesteigert und jede Pause durch "Schmökern" in den Büchern gefüllt werden können. Es stellte sich aber heraus, dass der Kurs sich aus lauter hoch motivierten und disziplinierten Schülerinnen und Schülern zusammensetzte, die dieses zusätzlichen "Sedativums" nicht bedurften.